ÜBER SAITENSTRASSEN
Zwei Liedermacher, zwei Leben, verbunden durch die Liebe zum Lied, das war der Anfang für das Liedermacherduo Saitenstrassen. Gemeinsam suchen Marie-Luise Gunst und Stefan Hasselmann nach den Nebenstrassen populärer Musik, nehmen sich in ihren Texten auch Themen vor, die abseits der schnellen Hauptstrassen oft überhört werden. Den Gitarrenkoffer in der Hand, Geschichten im Gepäck, so entstehen besondere, eigene Musik- und Konzertmomente auf den Trampelpfaden und Pflastersteinen des Lebens. Denn jenseits der gewohnten Pfade liegt etwas verborgen, dass es zu entdecken gilt.
Im Zentrum ihrer Musik und Konzerte stehen eigene Kompositionen und Lieder, die genau diese Entdeckunsgreisen wagen. Dazu finden sich auch Songs bekannter und geschätzer Künstler, die den Blick auf das Besondere oder Verborgene legen, in ihrem Repertoire: Regener und Reiser, Meyer oder Mey. Eine Begegnung mit der Musik des Liedermacherduos ist in jedem Fall keine Einbahnstrasse oder Sackgasse sondern vielmehr ein Wegweiser der Möglichkeiten, verpackt in Lieder.
STEFAN HASSELMANN
Zu sagen, dass mir die Musik „in die Wiege“ gelegt wurde, wäre tatsächlich übertrieben. Den Klavierunterricht meiner Kindheit absolvierte ich eher widerwillig. Der „Knoten platzte“, als ich mit 16 die Gitarre meiner Großmutter entdeckte, anfing zu schrammeln und zu zupfen, die Songs des jungen Reinhard Mey entdeckte und sang und erste eigene Lieder schrieb. So kam ich auch wieder zum Klavier, sang und spielte auf verschiedenen kleineren (und auch größeren Bühnen), spielte eine Weile im Restaurant Klavier und versuchte mich außer an der Gitarre auch noch an Ukulele, Mandoline, Trompete, Akkordeon und Xaphoon.
Was mich jedoch tatsächlich früh erfüllte, war die Liebe zur Sprache, zu erzählten Geschichten, zum Geschmack von Worten, zu Nuancierungen von Formulierungen. „Du bist nicht verloren, solange du noch eine gute Geschichte hast, und jemanden, dem du sie erzählen kannst“, heißt es in Bariccos „Novecento“. Und Geschichten zu erzählen, zu schreiben, das Was-Wäre-Wenn hinter den Kulissen des Alltags zu entdecken, reizt mich über all die Jahre hinweg. Einige der Texte sind veröffentlicht, einige las ich öffentlich, andere warten noch auf ihr Publikum. Aber jeder erschafft eine eigene kleine Welt.
Das Erschaffen von „Welten“ ist mein Hauptberuf als Architekt. Aber die Rhythmik einer Fassade, die Struktur einer Raumabfolge zu gestalten: dieser dramaturgische Gedanke unterscheidet sich kaum vom Gefüge eines Liedes, einer Geschichte, oder eines Programmes. Fast 20 Jahre habe ich in Weimar eigene Radiosendungen produziert und moderiert, habe auf dieser akustischen Bühne wöchentlich ein Programm zwischen Wort und Klang, zwischen Gedanken und Stimmung erschaffen.
Unterschiedlichste Ideen und Standpunkte, Element und Einflüsse zu etwas zu verbinden, was am Ende mehr ist als nur eine Sammlung von Einzelteilen: das ist beim Text so, beim Gebäude und beim Gespräch. Die Moderation einer Diskussionsrunde, den Gedankenaustausch zu führen und zu einem bereichernden Erlebnis oder Ergebnis zu bringen – auch das ist ein kreativer Prozess und kann zu glückvollen Momenten für alle Beteiligten führen.
In der Zeit der Optimierung aller Prozesse, der Selbstverwirklichung und des Funktionierens, kann unsere „Rettung“ nur die Menschlichkeit sein. Und dazu gehört das Miteinander und der Genuss.
Marie-Luise Gunst
Eigentlich war die Musik schon immer da. Gefühlt ist das, was durch meine Adern fließt und mich am Leben hält, immer ein melancholischer Akkord gewesen, vielleicht ein Hm7. Und in meiner Familie war viel Raum dafür, denn da wo Menschen waren, wurde auch gesungen. Musik war meine Sprache, mit der ich mich auch durch meine introvertierte Kindheit hinweg zu sprechen traute. Mein erstes Instrument war eine Blockflöte, was ungünstig ist, denn man kann nicht gleichzeitig singen und Flöte spielen. Später hatten meine Eltern erbarmen und schenkten mir erst ein Keyboard, später eine Gitarre, beides brachte ich mir bei, so dass ich heute gerne sage: "Ich spiele viele Instrumente aber keins davon richtig". Denn später kamen noch Bass, Trompete, Tenorhorn, Ukulele, Mandoline und diverse Tin-Whistles dazu. Mein "Hauptinstrument" blieb der Gesang und ist es bis heute. Beim Singen, so habe ich mal gehört, sind Arreale im Gehirn deaktiviert, die Ängste verursachen. Schon das war und ist ein Grund weiterzusingen, denn als Betroffene psychischer Erkrankungen, besonders der Depression, bin ich immer wieder mit Abgründen konfrontiert, die Musik meine Leiter, die mich aus ihnen wieder heraussteigen lässt. Ich bin nicht nur Musikerin, sondern auch Botschafterin der Deutschen Depressionsliga. Mental Health und Nachhaltigkeit, politische und philosophische Fragen sind das Herz meiner Songs und ich bin jedes Mal berührt und dankbar, wenn mir Menschen erzählen, dass meine Lieder wichtige Wegbegleiter in einer Krise waren. "Art is a way of survival" - Kunst als Überlebensweg, so hat es Yoko Ono mal beschrieben und ich fühle mich von diesem Satz immer wieder aufs Neue ertappt und abgeholt. Kunst und Musik - das ist auch mein Überlebensweg.
Deshalb bin ich froh, dass ich über Umwege, sozusagen über die Seitenstraßen meines Lebens, zur Kunst als Hauptberuf gefunden habe. Als Musikerin, Schauspielerin, Autorin, Festivalleiterin und Kreative durfte ich in den letzten 16 Jahren wunderbare Erfahrungen sammeln. Ich habe vor 5 Menschen gebspielt und vor 5000, vor Kindern und der Kanzlerin, in Brasilien und Berlin, humorvoll und ernst, mit Tiefgang und Leichtigkeit durfte ich Geschichten erzählen, ein Transmitter der Gefühle von Figuren und Erfahrungen sein.
Ich glaube, dass die Kraft meiner Kunst aus dieser Verbindung von Menschen durch Emotionen erwächst, kreative Momente und vor allem die Musik als eine Nabelschnur der Gefühle zu Themen, die sonst sperrig oder unzugänglich sind. Da setzt auch die Idee von Saitenstrassen an und ich freue mich darauf, mit diesem Projekt neue Wege auszuloten.